Download als .pdf Drucken Lesezeit:

Volle Flasche: Energie- und Ressourcenverbrauch volle Pulle

Volle Flasche: Energie- und Ressourcenverbrauch volle Pulle

Flaschen für industriell abgefüllte Wässer:
Energie- und Ressourcenverbrauch volle Pulle!

Dass Trinkwasser aus der Leitung in puncto Kosten und Komfort unschlagbar gut und günstig ist, hat sich weitgehend herumgesprochen. Dass die Ökobilanz gegenüber industriell in Flaschen abgefüllten Mineral- oder Tafelwässern ebenfalls klar überlegen ist, überrascht auch kaum. Man denke allein an die Lkw-Flotten, die für den Transport in Marsch gesetzt werden. Ein Aspekt, der noch zu wenig beachtet wird, soll hier betrachtet werden: In Wasserflaschen steckt sehr viel mehr als Wasser – nämlich jede Menge Energie und Ressourcen!

Auf einer Alpenwanderung hat unsere Autorin Nora Kelschebach ein wenig darüber nachgedacht:

Flaschenwasser – nur was für Flaschen?
Es ist glühend heiß, mein Mund staubtrocken, aber mein Gesicht nass von salzigem Schweiß. Endlich erreiche ich die rettende Almhütte am glitzernd blauen Bergsee: Endlich Wasser, hurra! Doch wo ist denn der rettende Brunnen oder Wasserhahn? Alles was ich entdecken kann, sind Schilder, die mir erklären, dass das Wasser erstens nicht trinkbar und zweitens nur sehr sparsam zu verwenden sei – der Umwelt zu liebe. Direkt neben dieser Erklärung hängt die Preisliste für die Einweg Wasserflaschen: 1 Liter kostet sechs Euro. Der Preis kommt mir sportlicher vor als meine sommerliche Wanderung. Und irgendwie habe ich die Liebe zur Umwelt an den öffentlichen Wasserspendern oder an meinem Wasserhahn in der Stadt stärker gespürt als beim Anblick der Plastikflaschen, deren Etikette fast denselben See zeigen, wie der, der ein paar Meter weiter zwischen den Bergen liegt …

Alpensee-Idyll: wohl dem Bergfex, der* eine wohlgefüllte, beliebig oft nachfüllbare Trinkflasche mitführt. Das ist wohlfeil und passt ökologisch am besten in die Landschaft.

Problem Plastikflasche
Tatsächlich stecken in jeder einzelnen dieser Plastikflaschen bis zu acht Megajoule (MJ) Energie, womit eine Herdplatte über eine Stunde auf Hochtouren laufen könnte. Statt jährlich 438.000 Tonnen Rohöl und Erdgaskondensate in die Herstellung von Plastikflaschen zu stecken, könnten wir auch 356.000 Einfamilienhäuser ein Jahr lang beheizen.(1) Mit Blick auf unsere derzeitigen Gas- und Ölpartner wäre das keine schlechte Idee und würde auch für etwas weniger frostige Horrorszenarien für die kommenden Wintermonate sorgen.

Aber was ist mit den Werbeversprechen diverser Abfüller, ihre PET-Flaschen seien zu 100 Prozent recycelt? Zum einen sind 70 Prozent der Plastikflaschen in Deutschland leider immer noch aus Neumaterial (2), zum anderen ist der Recyclingprozess natürlich alles andere als energiearm.

Ob recycelt oder nicht: Angesichts der neuen Hitzerekorde kann es durchaus sein, dass die Plastikflasche den Bergsee überdauert, denn sie braucht immerhin 1000 Jahre, um zu verrotten.(3) Bis dahin fließt hoffentlich noch viel Wasser den Rhein hinunter…


PET: Energiefresser und Plastikmüll
PET-Flaschen wiegen gegenüber einer gleichgroßen Glasflasche weniger als ein Zehntel. Das ist beim Transport ein gewichtiger Vorteil. Die Produktion thermoplastischer Kunststoffe geht allerdings mit beträchtlichem Energieverbrauch einher. Polyethylenterephthalat wird in Destillations- und Schmelzverfahren der Erdölchemie erzeugt, für die Flaschenproduktion entsteht im Spritzgießverfahren ein PET-Rohling, aus dem im Streckblasverfahren schließlich die fertige Flasche geformt wird. Allein für die Produktion von Wasserflaschen entstehen so weltweit jährlich 1,5 Millionen Tonnen Plastik. Dabei werden 1,5 Millionen Barrel (= 1.500.000 x 159 Liter) Öl verbraucht! Bei Einwegflaschen kommen Plastikfolien zum Einschweißen zu 6-Packs hinzu, beim Mehrweg 12er-Plastikkästen (HD-Polyethylen).

Umfragen zeigen übrigens, dass rund die Hälfte der Verbraucher, den Unterschied zwischen Mehrweg und Einweg bei Wasserflaschen mit Pfand nicht mehr erkennen.


Gutes Glas?!
Und wie wäre es, wenn ich statt einer Plastik- eine hygienischere Glasflasche kaufe? Die könnte doppelt so oft benutzt werden. (4) Doppelt so viel würde allerdings auch mein Wanderrucksack wiegen. Tatsächlich haben Glasflaschen auf Grund ihres Gewichts und dem damit verbundenen Transportaufwand sowie dem energieintensiven Einschmelzprozess eben keinen glasklaren Vorsprung bei der Ökobilanz gegenüber PET-Flaschen. Hier ist der Faktor Regionalität besonders entscheidend. (5)



Von der Gaskrise zur Glaskrise

Glas ist wegen seiner exzellenten Hygieneeigenschaften als Verpackung für Lebensmittel beliebt. „Es geht keine Wechselwirkung mit anderen Stoffen ein, gibt keine Schadstoffe ab und ist somit aus gesundheitlicher Sicht das beste Verpackungsmaterial für Lebensmittel.“*
Seit 1969 ist die gläserne 0,7-l-Normbrunnenflasche für Mineralwasser nicht nur ein Designklassiker (des Industriedesigners Günter Kupetz), sondern auch Teil eines der am besten etablierten Mehrwegsysteme des Landes. Allein zwischen 1971 und 2006 wurden fünf Milliarden Brunnenflaschen hergestellt. Das entsprich einem Gewicht von drei Millionen Tonnen Glas. Neben dem hohen Gewicht von Glas (Transport!) rückt derzeit ein weiterer Nachteil in den Fokus: Die Herstellung von Glasflaschen ist sehr energieintensiv. Für jede Glasschmelze werden Temperaturen ab 1.600 Grad Celsius benötigt. Bei rund 1000 Grad wird die Glasmasse dann geformt. Diese hohen Temperaturen werden in der Regel mit Erdgasöfen erzeugt. Bei der herrschenden Erdgasverknappung bedeutet das hohe Mehrkosten und den Verbrauch einer wertvollen Ressource.



Leitung auf, Wasser marsch!
Aber zurück zur Almhütte und meinem Durstproblem: Ich verweigere die angebotenen Wasserflaschen und trinke kurzer Hand das Wasser aus dem Bergsee (nicht nachmachen!). Die erste Bedienung auf der Almhütte rät mir davon stark ab, weil das Wasser nicht kontrolliert sei, ihre Kollegin versichert mir aber augenzwinkernd, dass das wohl üblich und noch keine*r dran gestorben sei. Ich sterbe auch nicht daran, es schmeckt eigentlich ähnlich gut wie das Leitungswasser Zuhause, das ja immerhin auch bei Stiftung Warentest 2018 besser abgeschnitten hat als so manches sprudelnde Pendant aus der Flasche. (6) Günstiger komme ich mit dem Bergsee auf jeden Fall auch davon. Normalerweise kostet eine Wasserflasche zwar nicht sechs Euro, sondern eher 0,13 bis 1 Euro pro Liter, aber das liegt immer noch weit über dem Literpreis aus der Leitung von 0,2 Cent. Das liegt unter anderem daran, dass durchschnittlich 90 Prozent des Preises für eine Wasserflasche nicht auf den Inhalt sondern auf Transport, Logistik, Werbung und andere nicht trinkbare Dinge entfallen. (7)

Leitungswasser füllen Sie ganz einfach in die (Trink)Flasche Ihrer Wahl – so oft Sie wollen. Industriell abgefülltes Wasser gibt es im günstigen Fall im 600 g schweren Mehrwegklassiker aus Glas oder der mit 50 g deutlich leichteren Variante aus PET (Polyethylenterephthalat). Die Glasflasche wird bis zu 50 Mal wiederbefüllt, das PET-Pendant maximal 20 bis 25 Mal. Leider ist heute jede zweite Wasserflasche in Deutschland eine Einweg-PET-Pulle von Aldi oder Lidl: die ökologisch schlechteste Wahl. (Foto: Johannes Kelschebach)

Leitungswasser füllen Sie ganz einfach in die (Trink)Flasche Ihrer Wahl – so oft Sie wollen. Industriell abgefülltes Wasser gibt es im günstigen Fall im 600 g schweren Mehrwegklassiker aus Glas oder der mit 50 g deutlich leichteren Variante aus PET (Polyethylenterephthalat). Die Glasflasche wird bis zu 50 Mal wiederbefüllt, das PET-Pendant maximal 20 bis 25 Mal. Leider ist heute jede zweite Wasserflasche in Deutschland eine Einweg-PET-Pulle von Aldi oder Lidl: die ökologisch schlechteste Wahl.


Von der Flasche loskommen
2015 verabschiedeten die UN-Staaten die Resolution 70/1 mit dem Titel „Die Welt umgestalten“. Darin wurden 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert, um bis zum Jahre 2030 eine bessere, friedlichere Welt mit weniger Armut und Hunger, aber mehr Bildung und Umweltschutz zu schaffen. Ziel 12 ist nachhaltiger Konsum und Produktion. Dazu meint 2030Watch:
„Bis 2030 sollte der Verbrauch von industriell abgefülltem Wasser in Flaschen abgeschafft werden.“ (8)

 

Aldi, Lidl, Coca Cola: die Propagandisten der Einwegplastikflasche
Dominiert wird der Mineralwassermarkt von den großen Discountern, wie Lidl und Aldi, die ausschließlich Einwegflaschen zu Dumpingpreisen verkaufen. „Auch der Getränkekonzern Coca-Cola, (…), sieht das Mehrwegsystem in vielen Bereichen als Auslaufmodell. Händler oder Hersteller müssen auch keine Konsequenzen befürchten, wenn sie nicht am Ziel mitarbeiten, die Mehrwegquote in Deutschland signifikant zu erhöhen.” (6)

Kein Wunder, dass da die Deutsche Umwelthilfe den Kopf schüttelt und einen verpflichtenden Aufschlagpreis von 20 Cent auf alle Einwegflaschen fordert. Zur Einhaltung der SDGs (Sustainable Development Goals) wäre eine komplette Abschaffung industriell abgefüllter Flaschen bis 2030 sinnvoll (8), da der Energieaufwand für Flaschenwasser im Vergleich zum Leitungswasser ca. 1.000 Mal so hoch ist. (9)

Unser hiesiges Trinkwasser ist natürlich auch ein begrenztes Gut und sollte nicht verschwendet werden, aber Abfüllen werde ich es mir für die nächste Wanderung auf jeden Fall selbst.

 

[1] https://www.duh.de/mehrweg-klimaschutz0/einweg-plastikflaschen/

[2]https://www.duh.de/mehrweg-klimaschutz0/einweg-plastikflaschen/

[3] https://www.waterlogic.at/vorteile/nachhaltigkeit/flaschenwasser-und-die-umwelt/

[4] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/glas-7059

[5] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/glas-7059

[6] https://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/flaschen-glas-einweg-mehrweg-pet-umwelt-100.html

[7] Zahlen: Container Recycling Institute, World Wide Fund for Nature, CNN, E: The Environmental Magazine, Earth Policy Institute, Food & Water Watch

[8] Verbrauch von Wasser in Flaschen | 2030Watch https://2030watch-modellprojekt.de/indicator/okf-wasserflaschen-konsum/

[9] https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/essen-und-trinken/11647.html


Bildnachweis:
Titelbild PET-Flaschen: AdobeStock / Roman Milert
Bild Alpensee: Nora Kelschebach
Bild Flaschen: Johannes Kelschebach

Nora Kelschebach

Oldenburg
Über mich: Studium: Bachelor Nachhaltiges Management, TU Berlin
Heute: Ein bisschen Drama muss sein, deswegen studiere ich jetzt Schauspiel, engagiere mich im Bereich Umwelt und verbringe meine Sommer mit langen Wanderungen.
Bildnachweis: Privat

Nora Kelschebach

Oldenburg
Über mich: Studium: Bachelor Nachhaltiges Management, TU Berlin
Heute: Ein bisschen Drama muss sein, deswegen studiere ich jetzt Schauspiel, engagiere mich im Bereich Umwelt und verbringe meine Sommer mit langen Wanderungen.
Bildnachweis: Privat
← zum vorherigen Artikel zum nächsten Artikel →
0 Kommentar(e)
Newsletter